Ein Gruß per Mail an die ARCA – Louis erforscht das Leben als Taugenichts
Areal Wasserkreuz
Das Wasserkreuz Castrop-Rauxel ist einer der spannendsten Orte im nördlichen Ruhrgebiet. Die Emscher kreuzt an dieser Stelle den Rhein-Herne-Kanal und fließt durch einen Durchlass unter dem Kanal her. Die Wasserlaufkreuzung befindet sich im Ortsteil Henrichenburg nahe der ehemaligen Burg und ist die größte ihrer Art im Emschergebiet. Eine Neugestaltung von Stadt und Landschaft ist hier geplant. Die Emscher wird in diesem Bereich erst 2020 vom Abwasser befreit sein. Um ausreichend Platz für die Großmotorgüterschiffe zu schaffen, wurde der Rhein-Herne-Kanal an dieser Stelle ausgeweitet und der Durchlass der Emscher nach Norden verlegt. Ein stillgelegter Altarm der Emscher dient heute als Teich. Das Wasserkreuz markiert das östliche Ende der Emscher-Insel.
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Standort ARCA
51°35’23.3″N 7°17’10.4″E
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Zeitraum
18.08 – 28.08.2016
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ExpediteurIn: Ute Heim, Moritz Metz
29. August 2016
„Was gibt ein Schiff, das zwischen Himmel und [Erde] schwebt, nicht für weite Sphären zu denken!Alles gibt hier dem Gedanken Flügel und Bewegung und weiten Luftkreis! Das flatternde Segel, das immer wankende Schiff, der rauschende Wellenstrom, die fliegende Wolke, der weite unendliche Luftkreis!“ (Herder, 1769)
28. August 2016
5. Tag_28.08.16: Posthum
Letzter Tag an diesem Ort. Es ist Sonntag. Viele Fahrradfahrer machen bei uns Zwischenstation. Der Taugenichts liegt in der Sonne und trocknet.
Die Idyllenforschung geht weiter. Vorgestern habe ich an der nahen Autobahn 15 min lang verharrt und ihr Geräusch aufgenommen.
Forschungsvorhaben:
VI
Autobahn
Setze die Kopfhörer auf (Geräusch: Autobahn 1km entfernt) und gehe langsam mäandernd hinunter zum Weg entlang der eingezäunten Emscher. Laufe so lange auf diesem schnurgeraden Weg, bis es dir endlich reicht. Nimm dann einen Stock und markiere diese Stelle auf dem Weg mit einem Kreuz. Fotografiere dieses Kreuz.
VII
Taugenichts Posthum
(Performance)
Der Taugenichts ist abhanden gekommen. Seit Jahrhunderten verschollen. Ich vermisse ihn und mache mich auf eine entbehrungsreiche Suche. Als sein Verlust für mich am schmerzhaftesten ist, singe ich „Oh bury me not in the lone prairie“, ein Lied, in dem ein Cowboy stirbt und darum bittet, nicht in der einsamen Prärie beerdigt zu werden.
Ich suche weiter. Nach langer Zeit entdecke ich etwas unter einem Apfelbaum, das irgendwie verdächtig aussieht, und fange an zu graben. Ich finde den Taugenichts, exhumiere ihn und entferne vorsichtig die Erde von seinen Gliedmaßen. Dann singe ich ihm zu Ehren sein Lieblingslied, stelle ihn an einen schönen Platz unter den Apfelbaum, nehme meine Geige und gehe spielend davon, den Fluss entlang.
(Fotos: Anja Plonka)
VIII
Salt River
(Performance)
Im Schiff mit der Tin-Whistle ein Stück wieder lernen, das ich vergessen habe, wie ein ausgetrockneter Fluss, der wieder Wasser bekommt. Immer zur vollen Stunde üben. Wenn ich es wieder „kann“, dann führe ich es auf, indem ich meinen Kopf durch die Luke des Schiffs stecke und es laut spiele.
27. August 2016
4. Tag_27.08.16: Idylle
1. Neues Forschungsvorhaben:
Gehe auf den Turm und sieh von oben in die Ferne. Suche etwas, das dich in deinem Empfinden stört. Male nun ein möglichst idyllisch anmutendes Aquarell dieser Szene.
Erstes Ergebnis: Eine Besucherin geht nach oben mit allen Malutensilien und kommt nach längerer Zeit wieder zurück. Auf dem Bild ist nicht ersichtlich, was das Störelement ist. Ich frage sie. Ihre Antwort: „Ja nee, das hab ich natürlich weggelassen!“
Ein anderes Ergebnis:
2. Taugenichts Posthum (Performance):
Ich beginne heute mit meiner Performance Taugenichts Posthum.
Erste Handlung: In der Sonne sitzen und den Taugenichts zeichnen, dann ihn modellieren in Ton. Mit Gedanken an all die Leute, die gestern meinten, ich hätte aber einen schönen Arbeitsplatz, bleibt die Frage, ob ich der Taugenichts bin oder ihn spiele oder ihn modelliere.
Morgen geht es weiter.
3. Salt River:
Immer wenn nichts los ist (bei 33°C kann das vorkommen), übe ich im Schiff auf meiner Flöte das Lied „Salt River“, ein Traditional, auf meiner vor Jahren gekauften Tin-Whistle. Ob es wirklich ein Traditional ist, weiß ich nicht, man nennt es so. Vielleicht ist es bei den angloamerikanischen Stücken auch so, dass irgendein Komponist im 19.Jhdt. so getan hat, als ob er alleine „das Volk“ ist, dann wäre es ein Kunstlied. Ich mag diese rührenden Versuche, etwas Authentisches zu schaffen und dann wird es so künstlich, dass es wieder natürlich wirkt. 100 Punkte bekommt der Kandidat, wenn es keiner gemerkt hat.
(Angeblich gibt es schlimme Bluegrassversionen dieses Stücks, auch bekannt als „Salt Creek“.)
26. August 2016
Feldforschung in der Retroromantischen Renatur
Ein Fluss wird renaturiert. Rewind. Reset. Systemwiederherstellung. Welcher Zeitpunkt soll eingegeben werden? Und ist das aktuelle System kompatibel mit dem, was hier installiert werden soll?
Ich war noch nie längere Zeit im Ruhrgebiet, aber ich kenne viele Gewässer. Große und kleine. Flüsse, in denen man baden kann, Flüsse, die schäumen, weil zu viel Waschmittel in ihnen landet (und trotzdem bauten Schwäne dort ihre Nester, mitten im Schaum), Seen, die man „Silbersee“ nennt, weil es eine Zeit gab, in der sie silbrig glänzten von irgendeiner Chemikalie aus dem Werk nebenan, Seen, aus denen man trinken kann. Alles Gewässer, die mir sehr vertraut sind. Hier kenne ich nichts und bin neugierig.
1. Tag (Auf)Zeichnung
Welche Sehnsucht liegt dem Bedürfnis zugrunde, etwas „renaturieren“ zu wollen? Welche Bilder und welches kulturelle Erbe bilden die Grundlage dafür? Was ist der „Urzustand“ eines Flusses? Wann war der Urzustand? Vor 100 Jahren? Vor 1000 Jahren? Gab es etwas vor dem Urzustand? Kann man einen Urzustand zeitlich verorten?
Was ist „natürlich“? Ist Dreck im Fluss unnatürlich? Oder anders: Ist „chemischer Dreck“ unnatürlich und „natürlicher Dreck“ natürlich und wenn ja – wo ist da genau die Grenze? Was, wenn der Fluss stört als „Natur“, weil er zur Bedrohung wird? Was will man als Mensch, wenn man etwas renaturiert?
Meine persönliche Erinnerung an einen Fluss: In dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, gibt es einen Fluss, der alle 2-3 Jahre Hochwasser hat. Als Kind fand ich es toll, dass man dann mit dem Boot zwischen den Häusern durchfahren konnte. Venedig. So nah. Der Fluss hat damals auch gestunken und man konnte nur darin baden, wenn man eine robuste Haut hatte.
Jetzt – Ruhrgebiet 2016: Forschungsmethoden werden entwickelt und Vorhaben werden in Worte gefasst, um dem Erbe der Romantik auf die Spur zu kommen – ein Teil der kulturellen Grundlage. An die Emscher kommt man nicht heran, weil sie eingezäunt ist.
Vorbeifahrende Radler und Wanderer werden gebeten, eine Szene aus dem „Taugenichts“ nachzuspielen. Radsport als Freizeitbeschäftigung. Sich bemühen, schwitzen und sich dann ausruhen dürfen:
Forschungsvorhaben I – Taugenichts:
Für 2 Personen: Nehmt das Buch „Aus dem Leben eines Taugenichts“ und schlagt S. 46 auf. Lest die darin markierte Stelle laut vor.
Person 1 spielt die beschriebene Szene an einem passenden Ort nach. Person 2 zeichnet das Gesehene oder macht davon ein Foto.
Als ich eine Strecke so fortgewandert war, sah ich rechts von der Straße einen sehr schönen Baumgarten, wo die Morgensonne so lustig zwischen den Stämmen und Wipfeln hindurchschimmerte, daß es aussah, als wäre der Rasen mit goldenen Teppichen belegt. Da ich keinen Menschen erblickte, stieg ich über den niedrigen Gartenzaun und legte mich recht behaglich unter einem Apfelbaum ins Gras, denn von dem gestrigen Nachtlager auf dem Baume taten mir noch alle Glieder weh.
(J. v. Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts)
Lilo aus Köln
Schwester Judith Kohorst und Petra Rhein
Florian aus Stelingen
Peter aus Bochum
2. und 3. Tag_25./26.08.16: Taugenichts
Renaturierung? Toll! Dann stinkt es nicht mehr so. Aber der Gestank ist auch vertraut.
Immer mal wieder der Satz: „Einen schönen Arbeitsplatz haben Sie hier.“ Arbeiten ist hier etwas anderes. Stolz auf die Vergangenheit im Pott. Die Nachfahren der Bergarbeiter arbeiten übertage, z.B. als Heizungsinstallateure, so wie Peter aus Recklinghausen.
Zwei Besucher aus Leipzig wollten Urlaub machen in der Bretagne oder in der Normandie. Jetzt machen sie stattdessen Urlaub an der B58. D.h. sie erkunden das Gebiet entlang der B58, weil der Mann vor Jahren, an seinem 58. Geburtstag, diesen Wunsch hatte. Hier sind sie mehr oder weniger zufällig gelandet. Könnten Konzeptkünstler sein, sind aber ganz „normal“, also Nichtkünstler von Beruf. Gespräche über Rollen, Identitäten, Patti Smith, Anohni in Bielefeld und über die Verletzlichkeit, an deren Rand man steht, wenn man singt.
Andere Besucher sinnieren mit mir über die Sensibilität des Korpus einer Geige. Meine Geige traue ich mich noch nicht zum Einsatz zu bringen, weil der Lack bei über 35°C anfängt weich zu werden. Das war dem Taugenicht damals anscheinend egal, als er auf dem Baum übernachtete. Oder der Lack war härter vor 200 Jahren.
Die anderen Forschungsvorhaben:
II
Störfall
Sieh dich um und suche eine Stelle in der näheren Umgebung, an der dich irgendetwas stört. Betrachte diese Stelle mindestens 2 Minuten lang, zeichne sie dann und halte alles, was du siehst, im Detail fest.
III
Kulisse
Für 2 Personen: Person 1 nimmt sich einen Rahmen und sucht sich einen Ausschnitt in der Landschaft. Person 2 nimmt sich Stift und Block und stellt sich mit dem Rücken zu Person 1. Diese beschreibt nun Person 2 den Ausschnitt, der durch den Rahmen zu sehen ist. Person 2 versucht, das Gehörte zu zeichnen.
Kristin und Frank aus Dresden
IV
Erinnerung
Erzähle eine Geschichte von etwas, was hier passiert ist, bevor die Emscher begradigt wurde.
22. August 2016
Die Finale Version des RADIO ARCA ist online !
Eine Blaskapelle, ein Chor und der Bürgermeister Rajko Kravanja samt interessierter Radler waren bei uns an der ARCA.
Unerwarteter Besuch einer Blaskapelle aus der Region.
Ein Chor kam unvermutet vorbei und sang den RADIO ARCA Jingle ein.
Radtour mit dem Bügermeister Rajko Kravanja
19. August 2016
RADIO ARCA / Tag 2/3
Moritz Metz interviewt zwei Besucherinnen zu ihren Geschichten an der Emscher.
18. August 2016
RADIO CAROLINE war das erste Privatradio in Großbritannien. Ab 1964 ging von einem Schiff, drei Meilen vor der Küste entfernt, der Piratensender auf Welle.
17. August 2016
RADIO ARCA / TAG 1
Wie klingt, wie riecht es an der Emscher, heute und früher? Wir suchen Geräusche und Geschichten.
17. August 2016
Durch unwegsames Gelände geschifft, liegt die ARCA nun auf dem Berg am Fuße des Kawamata Turmes. Die große Oper wird möglich. Unser Schiff wird zur Sendestation für RADIO ARCA.