Alle Einträge von: Ute Heim

9. September 2016

Areal Stadthafen

Tag 8: extra portum, flumen et navem

Heute letzter Tag der Forschungen für mich.

 

Vor meiner Abreise schaut noch ein Experte der englischen Romantik vorbei, der schon vor 2 Tagen hier aufgetaucht war. Vorgestern spielte er mir Rezitationen von Blake vor aus seinem Auto auf dem Parkplatz vor dem Schiff.

Wir dichten Shanties um und er gibt ein paar seiner bereits gedichteten Shanties zum besten. Zu hören auf seiner Webseite: http://www.englishromantics.com/

Heute ist es endlich an der Zeit, Robinson zu ehren und ich mache mich auf den Weg ins nahe Strandcafé, um dort laut aus seinen Aufzeichnungen zu lesen.

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Es stört mich niemand, obwohl es voll ist. Die Musik passt, der Sand rieselt durch die Zehen und ich rufe laut ein paar Zeilen Robinson Richtung Eisstand.

Danach packe ich zusammen und begebe mich extra portum, flumen et navem.

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8. September 2016

Areal Stadthafen

Tag 7: intraterrestrisch-lunale Kraterforschung

Ein Mondforscher hat noch einmal das Gebiet rund um das Schiff katalogisiert und Gesteinsproben entnommen, anhand derer er beweisen möchte, dass der Boden Spuren von extraterrestrischem Gestein enthält.

Er vertritt die Theorie, dass die Erde aus der Rippe des Mondes entstanden sein muss und ist seit Jahrzehnten mit der entsprechenden Beweisführung beschäftigt. Hier vor Ort, am Stadthafen Recklinghausen, in der Umgebung des Schiffes ARCA, scheint er noch mal einen Schritt weiter gekommen zu sein.

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7. September 2016

Areal Stadthafen

Tag 6: Blaue Blume reloaded

Ist doch die Frage, wo die Blaue Blume jetzt eigentlich zu finden ist. Heinrich von Ofterdingen, mein großes Vorbild, ist ja anscheinend durch Zeit und Raum gewandert, um sie zu finden. Novalis fand ihn auch toll und hat über ihn geschrieben.

Ich ziehe mein schönes blaues Kleid an, passend mit Punkten aus den 1950er Jahren, nehme meine passend blaue Ausgabe, mit Sternenhimmel vorne drauf, von vor 15 Jahren und mache mich auf die Suche. Laut Wikipedia kann es eine Kornblume sein, aber auch eine Wegwarte oder noch eine andere Art von Blume, deren Namen ich vergessen habe. Niemand weiß es genau. Mal ganz abgesehen von der Horde an Bedeutungen, die dieses Blümchen hinter sich her zieht. Ganze Generationen haben sich ihretwegen ins Unglück gestürzt. Arme Poeten haben ohne Geld mit Schirm in ihrem Bett gesessen und den Regen abgewartet, der durch ihr Dach zu kommen drohte (das weiß man, wenn man ihn München wohnt und mal im Lenbachhaus war oder von einschlägigen Kunstkalendern).

Also los am Stadthafen Recklinghausen. Das Wetter ist so schön heute.

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Diese Blume scheint in ein paar Tagen gelb zu blühen, also falsch.

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Vielleicht ist irgendwo ein Hinweis im Buch. Ich vertraue dem Zufall. War damals auch modern.

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Nichts. Wieder von vorn. Da ist etwas Blaues.

4 - Kopie

Fehlen die Wurzeln, leider. Und auch ziemlich staubig. Also der unendliche Himmel. Ist auch blau. Ich warte auf ein Zeichen.

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Warte lange…suche dann am Boden…

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…und im Gebüsch.

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Im Gebüsch ist zwar einiges in blau, aber nichts richtig Schönes. Eher mittelgroße Dinge aus Plastik, die man aus Fernsehkrimis kennt und von denen man weiß, dass man sie nicht öffnen sollte. Da. Müsste ein Zeichen ein. Schwer zu lesen.

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Ich suche schon lange. Zwischen den Sträuchern, am Wegesrand, zwischen Dosen, Bechern, Taschentüchern und Plastiktüten. Nichts. Bin schon fast am Aufgeben und will mich schon umdrehen, da höre ich einen Laut. Ich drehe mich um.

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Kenn ich nicht. Muss ein Wesen aus dem Gebüsch sein. Grün, nicht blau. Auch eher menschlich-tierisch als pflanzlich. Aber es will mir helfen, zumindest sieht es so aus. Ich erkläre ihm mein Vorhaben, damit wir gut zusammenarbeiten können.

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Wir machen zusammen weiter. Langsam wird es auch ein bisschen anstrengend, aber als Suchender darf man sich ja nicht beschweren. Runter an den Fluss, nein, Kanal. Der Kanal sieht aus wie ein Fluss um umgekehrt in dieser Gegend.

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Ein schönes blaues Schiff kommt vorbei. Da finde ich wieder etwas. Bin schon um einiges misstrauischer geworden in letzter Zeit.

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Wieder nichts. Scheint eher ein Streichholzersatz zu sein. Noch etwas Schönes in Blau. Aber nicht sehr lebendig.

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Wir müssen unbedingt von hier weg, meint mein Gehilfe in Grün. Der kennt sich aus. Kommt aus der Stadt in Italien, die auf Wasser gebaut ist und Wasser ist ja auch blau. Also wieder hoch zur Autobahn.

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Endlich mal wieder ein Schild. Jetzt weiß ich wieder, wo wir sind. Auf die blauen Schilder am Rand falle ich nicht herein, auch nicht auf die blauen Fahnen.

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Heinz mit seinem blauen Schild winkt uns freundlich zu. Ein Verbündeter. Auch er ist schon lange auf der Suche.

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Wir sind müde und holen uns Inspiration am Fluss. Hat denn diese Suche nie ein Ende?

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Der Tag geht zur Neige. Der Fluss rauscht sein freundliches „Alles kommt zu mir. Ich bin die Größte und Wichtigste hier.“ Sie schluckt und schluckt und rauscht und rauscht und stinkt. Sie kennt das Blau und kann nicht zum Blau, weil braun ihr Schicksal ist. Wie tragisch.

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Wir sinnieren noch eine Weile vor uns hin. Die Sonne gnadenlos im Rücken, bemerken wir nicht, wie es beinahe schon dämmert. Hinter uns donnern die Autos. Leute gehen vorbei.

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Wir wollen zurück zum Schiff und stoßen am Ende des Brückengeländers auf einen Ureinwohner.

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(Idee/Konzept: Ute Heim, Fotos: Anja Plonka)

 

5. September 2016

Areal Stadthafen

Tag 5_04.09.16: Suche nach der blauen Blume

Eigentlich hatte ich heute vor, mich auf die Suche nach der blauen Blume zu begeben, aber da wurde nichts draus. Das Wetter war zu schlecht. Das Schiff hatte Mühe, sich inmitten der hohen Wellen zu behaupten, und ich musste mein Tintenfass mit beiden Händen festhalten, um es nicht zu verlieren.

zu nass für die suche nach der blauen blume

Gleich am Anfang ein paar enthusiastische Fahrradfahrer, die auch inside ein Gefühl von hoher See evozierten und Shanties anstimmten.

shanty inside, 2, 04.09.16shanty inside, 1, 04.09.16
Freude über nicht enden wollende Variationen des „Drunken Sailor“.

Sie waren so begeistert, dass sie versprachen, auf dem Rückweg noch einmal vorbei zu kommen und frisch gedichtete Strophen zu liefern. Sehr tatkräftige Forscher. Wie sich schon aus M.A. Numminens Oeuvre unschwer erkennen lässt, regt Fahrrad fahren bei richtig verstandener Arbeitsteilung zum Dichten an: https://www.youtube.com/watch?v=uak8TG6Z9-w.

Zwischendurch ist noch einmal die dunkle Seite des Mondes beschrieben worden mit Stift und Blatt. Kurz und knackig.

mondsucht, 04.09.16

Da uns das Wetter bisweilen sehr aufs Gemüthe schlug, beschlossen wir kurzerhand, unseren Kurs zu ändern und nach Tahiti zu segeln, um unserer Seelen Last zu erleichtern. Jedoch der Aufenthalt dauerte nicht lange und rechtzeitig zum späten Nachmittag fuhren wir wieder in unserem Heimathafen Recklinghausen ein, um unserer Pflicht und Forschung nachzukommen.

auf tahiti, 04.09.16

Notiz von Clea Stracke an der Tür zur Kajüte der ARCA

Shanty reloaded: (Forschungsaufgabe II, s. Beitrag v. 31.08.16)

Die Fahrradfahrerdichter hielten nun ihr Versprechen, stiegen leichten Fußes an Deck und stimmten ein fröhliches Lied an zu Ehren des Schiffes und der Kunst. Heißa, welch eine Freude erfasste uns da und wir stimmten wohlgemuth mit ein.

shanty reloaded2, 04.09.16

Zunächst ein kurzes Solo…

shanty reloades, 04.09.16

dann der Damen Antwort…

shanty reloade, noch eine strophe, 04.09.16

…und noch einige Strophen, die im Laufe der Fahrt beinahe wieder in Vergessenheit gerathen waren.

Die Suche nach der blauen Blume muss leider verschoben werden und hat nun eine Verspätung von ca. 200 Jahren. Ich bitte, diese Unannehmlichkeit zu entschuldigen.

(Dieser Artikel wurde verfasst an Bord des ICE von Duisburg nach Frankfurt am Main, mit einer Verspätung von ca. 30 min. Grund dafür sind Verzögerungen im Betriebsablauf.)

3. September 2016

Areal Stadthafen

4. Tag: die Rückseite des Mondes

beschriftung schiff, 03.09.16mondsucht, mit rahmen, 03.09.16

Die Rückseite des Mondes – dark side of the moon. Ich mache mich an die Arbeit. Forschungsvorhaben V. Mondsucht (s. Beitrag vom 01.06.16). So genau wie möglich das Gesehene abbilden. Feldforschung direkt auf dem staubigen Boden am Hafen. Das unmögliche Unterfangen, die Welt so zu sehen, wie sie ist. Weil schon das „wie sie ist“ relativ ist.

Ich zeichne das Stück am Boden. So genau wie möglich. Wo hört das auf? Bei 0,1mm großen Steinchen? Und wenn ich so tue als ob und einfach erfinde? Weil es so anstrengend ist. Ich gebe auf, keine 1 000 000 Steinchen, auch wenn so viele Sterne am Himmel stehen und so viele Steine in meinem Kreisausschnitt liegen. Da liegen ja auch noch welche drunter. Und wofür? Wenn ich schon vor 5cm Durchmesser Boden kapituliere, wie soll ich dann die ganze Welt erforschen?

Danach kommt passenderweise ein Physiker zu Besuch und wir sprechen über Quantenphysik (wovon ich wenig Ahnung habe) und den Ausgleich der Kräfte, der anscheinend aller Materie zugrunde liegt.

Ein neuer Homer beschreibt eine Landschaft und sein Gehilfe zeichnet (Forschungsaufgabe IV, s. Beitrag 01.09.16):

homer, 03.09.16

Neues Forschungsvorhaben:

VI Meer
Nimm einen Eimer, begib dich zum Steg und schöpfe Wasser. Gehe nun zurück zu deinem Ausgangspunkt am Schiff und streue Salz ins Wasser. Beuge den Kopf leicht über den Eimer, atme ein Mal tief ein und aus, beobachte die entstandenen Wellen und male dann ein entsprechendes Aquarell.

2. September 2016

Areal Stadthafen

3. Tag: Shanty reloaded

inindien

Heute morgen habe ich einen Abstecher nach Indien gemacht, weil mich das Fernweh so geplagt hat.
Jetzt wieder zurück in Recklinghausen am Stadthafen. Es kommen immer wieder fremde Seefahrer vorbei, erzählen mir von ihren Abenteuern und lassen echte Shanties erklingen.

shantysänger

Forschung inside:

forschung inside

1. September 2016

Areal Stadthafen

2. Tag_01.09.16: Fernweh

über nacht keiner da gewesen

Des Nachts wird hier auch von anderen geforscht. Ich muss noch herausfinden, welche Bedeutung die Anordnung der Tücher hat.

lutz konermann aus marina rünhte bergkam

Wir bekommen Besuch von echten Seefahrern

 

mimosa, holländisches schiff von eddy grewe, blau wasser segler

und hören Geschichten von echten Schiffen, die aussehen wie unseres und „Mimosa“ heißen,

torsa, schwedisches schiff der firma troll

Schwester von „Torsa“ (so wie „Torso“, nur weiblich), einem schwedischen Schiff der Firma „Troll“.

Ich halte alles fest, auch wenn es sich auf letzte Woche bezieht:

baumübernachter

Neue Forschungsvorhaben:

IV
Homer

(für 2 Personen)

Der erste bekannte Schilderer einer Landschaft – Homer – war blind. Setze die Augenklappe auf und beschreibe, welche Landschaft du siehst. Person 2 zeichnet das Beschriebene.

homer

V
Mondsucht

Nimm einen runden Rahmen und lege ihn auf den Boden. Zeichne diesen Ausschnitt so detailliert wie möglich.

mond echtmond

31. August 2016

Areal Stadthafen

Forschungsschwerpunkt: Eskapistische Bewegung

Neuer Platz. Direkt am Stadthafen Recklinghausen. Mit Blick aufs Meer.

blick aufs meer

Über Nacht getaggt.

getaggt

Ansonsten heute Flaute. Neben uns klappert die Mühle am rauschenden Bach.

mühle

1. Tag_31.08.16: Shanty

Im Secondhandladen in Herne habe ich vorgestern eine Platte erstanden. Site specific work in progress.

shanties

I
Shanty

Begib dich an Deck und nimm die Schallplatte „Shanties“ in die Hand. Suche dir ein Lied auf der Platte aus und versuche, dich an Text und Melodie zu erinnern. Singe das Lied nun laut und inbrünstig mit Blick auf den Hafen vom Deck aus in die Ferne.

II
Shanty reloaded

Begib dich an Deck und nimm die Schallplatte „Shanties“ in die Hand. Suche dir ein Lied auf der Platte, welches du nicht kennst. Versuche anhand des Titels, dir ein neues Lied einfallen zu lassen. Singe es nun laut und inbrünstig mit Blick auf den Hafen vom Deck aus in die Ferne.

28. August 2016

Areal Wasserkreuz

5. Tag_28.08.16: Posthum

Letzter Tag an diesem Ort. Es ist Sonntag. Viele Fahrradfahrer machen bei uns Zwischenstation. Der Taugenichts liegt in der Sonne und trocknet.

Die Idyllenforschung geht weiter. Vorgestern habe ich an der nahen Autobahn 15 min lang verharrt und ihr Geräusch aufgenommen.

Forschungsvorhaben:

VI

Autobahn

Setze die Kopfhörer auf (Geräusch: Autobahn 1km entfernt) und gehe langsam mäandernd hinunter zum Weg entlang der eingezäunten Emscher. Laufe so lange auf diesem schnurgeraden Weg, bis es dir endlich reicht. Nimm dann einen Stock und markiere diese Stelle auf dem Weg mit einem Kreuz. Fotografiere dieses Kreuz.

2, autobahn

VII

Taugenichts Posthum

(Performance)

Der Taugenichts ist abhanden gekommen. Seit Jahrhunderten verschollen. Ich vermisse ihn und mache mich auf eine entbehrungsreiche Suche. Als sein Verlust für mich am schmerzhaftesten ist, singe ich „Oh bury me not in the lone prairie“, ein Lied, in dem ein Cowboy stirbt und darum bittet, nicht in der einsamen Prärie beerdigt zu werden.

Ich suche weiter. Nach langer Zeit entdecke ich etwas unter einem Apfelbaum, das irgendwie verdächtig aussieht, und fange an zu graben. Ich finde den Taugenichts, exhumiere ihn und entferne vorsichtig die Erde von seinen Gliedmaßen. Dann singe ich ihm zu Ehren sein Lieblingslied, stelle ihn an einen schönen Platz unter den Apfelbaum, nehme meine Geige und gehe spielend davon, den Fluss entlang.

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SONY DSC12081217SONY DSC2526283034(Fotos: Anja Plonka)

 

VIII

Salt River

(Performance)

Im Schiff mit der Tin-Whistle ein Stück wieder lernen, das ich vergessen habe, wie ein ausgetrockneter Fluss, der wieder Wasser bekommt. Immer zur vollen Stunde üben. Wenn ich es wieder „kann“, dann führe ich es auf, indem ich meinen Kopf durch die Luke des Schiffs stecke und es laut spiele.

27. August 2016

Areal Wasserkreuz

4. Tag_27.08.16: Idylle

1. Neues Forschungsvorhaben:

Gehe auf den Turm und sieh von oben in die Ferne. Suche etwas, das dich in deinem Empfinden stört. Male nun ein möglichst idyllisch anmutendes Aquarell dieser Szene.

Erstes Ergebnis: Eine Besucherin geht nach oben mit allen Malutensilien und kommt nach längerer Zeit wieder zurück. Auf dem Bild ist nicht ersichtlich, was das Störelement ist. Ich frage sie. Ihre Antwort: „Ja nee, das hab ich natürlich weggelassen!“

Ein anderes Ergebnis:

SONY DSC

2. Taugenichts Posthum (Performance):

Ich beginne heute mit meiner Performance Taugenichts Posthum.

Erste Handlung: In der Sonne sitzen und den Taugenichts zeichnen, dann ihn modellieren in Ton. Mit Gedanken an all die Leute, die gestern meinten, ich hätte aber einen schönen Arbeitsplatz, bleibt die Frage, ob ich der Taugenichts bin oder ihn spiele oder ihn modelliere.

Morgen geht es weiter.

2, foto taugenichts posthum, 27.08.16

3. Salt River:

Immer wenn nichts los ist (bei 33°C kann das vorkommen), übe ich im Schiff auf meiner Flöte das Lied „Salt River“, ein Traditional, auf meiner vor Jahren gekauften Tin-Whistle. Ob es wirklich ein Traditional ist, weiß ich nicht, man nennt es so. Vielleicht ist es bei den angloamerikanischen Stücken auch so, dass irgendein Komponist im 19.Jhdt. so getan hat, als ob er alleine „das Volk“ ist, dann wäre es ein Kunstlied. Ich mag diese rührenden Versuche, etwas Authentisches zu schaffen und dann wird es so künstlich, dass es wieder natürlich wirkt. 100 Punkte bekommt der Kandidat, wenn es keiner gemerkt hat.

(Angeblich gibt es schlimme Bluegrassversionen dieses Stücks, auch bekannt als „Salt Creek“.)