Areal Phönixsee

160 Jahre lang wurde in Dortmund­-Hörde Stahl gekocht. Der Name Phoenix stand für das Hochofenwerk auf dem Gelände Phoenix­West sowie das Oxygen­Stahlwerk Hermannshütte auf dem Gelände Phoenix­ Ost. Mit dem Strukturwandel der Region ging diese Epoche zu Ende, das Stahlwerk wurde geschlossen. Inzwischen ist Phoenix – gleich dem griechischen Sagenvogel – aus der entstandenen Industriebrache wieder­ auferstanden: Auf dem Gelände des ehemaligen Stahlwerks wurde ein großer, künstlicher See angelegt. Am Nordrand sucht sich heute die ökologisch verbesserte Emscher wieder ihren eigenen Weg und bildet zusammen mit See und Hörder Bach eine neue Heimat für viele Tiere und Pflanzen. Das Areal hat sich zu einem Naherholungs­ort und Freizeitgelände sowie zu einem begehrten Wohngebiet entwickelt.
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Standort ARCA
Phoenixseestraße, Dortmund
51.4893, 7.51001
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Zeitraum
5. – 19 Juni 2016
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ExpediteurIn: Thomas Splett & Verena Seibt

12. Juni 2016

Areal Phönixsee

abfalleimer

Anläßlich dieses Abfalleimers wird deutlich:

Der See wirkt wie ein Kraftzentrum.
Die kreisenden Umrunder bewegen sich auf einer Umlaufbahn um ihn. Während Objekte mit Bewegungsenergie Null zum See hin ausgerichtet sind.

Mehr noch als dieser Abfalleimer belegen das eine Vielzahl sitzender Menschen, die sich in der Regel nicht in Blickrichtung des Weges  setzen, sondern in Blickrichtung See. Und insbesondere die Immobilien rund um den See: Die Villen erster Reihe im sogenannten Bauhausstil weisen zur Seeseite großflächige Glasfassaden auf. Zur Seite, also in Richtung der Nachbarn gibt es, wenn überhaupt, wenige kleine Fenster. Und nach hinten, zur seeabgewandten Rückseite, finden sich anstelle von Fenstern oft Schilder der Sicherheitsfirmen, die für die Durchsetzung der Abschirmung verantwortlich sind.

Die Villen sind Betrachter, mit dem Rücken zur eigenen Wand. Wahrgenommen sollen sie wohl schon werden, aber nicht, was in ihnen geschieht.
Nebeneinander zu sitzen und parallel Blicke auf das Gegenüberliegende zu werfen, kennt man etwa vom Fernsehen. Ein gemeinsames Erlebnis kann das sein, weil man sich zur Seite hin unterhält oder Körperkontakt hat. Haben auch die parallel ausgerichteten Villen ein quer operierendes Kommunikationsmedium? Das gilt es noch herauszukriegen.

11. Juni 2016

Areal Phönixsee

Wenn sie nicht zu mehr als zu zweit sind, setzen sich Besucher unseres Bootes zu 95% so aufs Deck, daß der See in ihrem Blickfeld ist. Ich habe das vorhin gegenüber zwei Besuchern erwähnt. Sie haben sogleich auf die gegenüberliegende Bank gewechselt. Im Blick nun die Baustelle mit ihren Hügeln. Und schnell die Beobachtung, daß die Übereinstimmung in der Farbigkeit der Erstreihenvillen über die Gänse und ihre Exkremente sich auch auf diese Gesteinshaufen erstrecken würde, wenn man nur die am Boden liegende Plane mit der weißen Seite nach oben über sie breiten würde.

Vielleicht ist das Farbkonzept des Sees doch tief im Grund verankert.

11. Juni 2016

Areal Phönixsee

Menschenaugen sind üblicherweise nach vorne gerichtet. Hält man das streng durch, kriegt man eine Seeumrundung hin, ohne dabei auf den See zu schauen.
Tatsächlich sind die Bahnen ja so angelegt, daß ihre Begeher fast immer tangential weg vom See schauen.

 

gruppezwei

Begeherinnengruppe kurz vor Ausdifferenzierung des Weges in drei Bahnen, im Uhrzeigersinn.
Rechte Begeherin wendet den Blick leicht seitlich, wodurch der See in ihr Blickfeld gerät.

 

zweibahn

Zwei der drei Bahnen, mit unterschiedlichem Belag für unterschiedliche Fortbewegungsmittel oder Abwechslung.
Ein schmaler Grünstreifen gibt Kontur und ermöglicht den Übertritt.

 

gruppeeins

Begehergruppe auf mittlerer Bahn, gegen den Uhrzeigersinn.
Rechte Begeherin wendet den Blick seitlich, wodurch die neben ihr Gehenden in den Blick geraten.

10. Juni 2016

Areal Phönixsee

regatta

Heute auf dem See: Stadtschulmeisterschaften im Rudern.

Welche Entfernung braucht es, um diese Punkte zu Linien zu vervollständigen, die Bahnen abgrenzen? Und verlaufen sie eigentlich quer oder längs?

 

tuch wolke

 

 

 

 

10. Juni 2016

Areal Phönixsee

Einfühlungsversuch:

 

Wir haben ja einige Forschungsvorhaben, die wir auch gerne an Besucher delegieren.
Beispielsweise: „Gehe mit Entenmaske zum See und versuche fremden Leuten mit dem Greifer Essen zu klauen. Beobachte ihre Reaktion und beschreibe sie.“

Dabei geht es nicht nur darum zu erkunden, ob die derart Angegriffenen eher aggressiv, kopfschüttelnd, kooperativ, teilnahmslos oder sonstwie reagieren. Der Aspekt von „Forschung durch Einfühlung“ ist hierbei: Wie ist es, wenn man das, was man so gerne möchte, nicht selbst herstellen oder erarbeiten kann (in dem Fall: Brot, Kekse, Pizza …), sondern man von anderen abhängig ist, die man aber auch nicht bitten kann, einem etwas zu geben, sondern denen man es nehmen muß, im Modus des Zuschnappens?

Offenbar kostet diese Übung einiges an Überwindung.

Ist der Klamauk eher das Problem oder die Lösung?
Ich bin mir nicht sicher.
Schließlich gefällt mir dann etwa dies Bild:

Vielleicht, weil ich in der Offensichtlichkeit des Bühnenhaften so etwas wie die Weisheit einer Soap sehe.

10. Juni 2016

Areal Phönixsee

Und als Ente?

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Wäre nicht das Haus entenhaft, die Ente könnt es nie erblicken.

Man sieht nur, was man ist.

Deswegen versuchen wir, uns fremd zu sein. Um das Fremde nicht nur als Exotisches wahrzunehmen.

 

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9. Juni 2016

Areal Phönixsee

Bewohner haben was dagegen, dass man durch ihr Privatgelände marschiert. Oder auch bloß in etwas lächerlicher Kostümierung sich genauer anschaut, wo es eigentlich kaum Interessantes anzuschauen gibt.
Gab es nicht mal Zeiten, in denen Künstler wegen ihres Tuns argwöhnisch betrachtet wurden?
Meiner gegenwärtigen Erfahrung nach scheint es hingegen so zu sein, dass man Zuschauer eines unsinnig erscheinenden Tuns eher beruhigen kann, wenn man ihnen zuruft: ich bin Künstler! – Dann kommt ein “Ach so, na dann, dann ists ja ok ….”.
Der Künstlerhinweis taugt also zur Rechtfertigung.
Und wenn ich riefe “Ich bin Forscher!” oder “Ich bin Expeditionsteilnehmer!”?

8. Juni 2016

Areal Phönixsee

Ich habe heraus, wie ich es schaffe, nicht auf den See schauen zu müssen und dennoch seine Ränder erkunden zu können. Ich möchte gleichsam um den See gehen, ohne um den See zu gehen. Das geht, indem ich ihn verschiebe. Und dabei hilft Google Maps:
Am neuen Standort der alten Anlagen aus Phönix-Ost, in Zhangjiagang, wohin sie vor einigen Jahren verkauft und verschifft wurden, gibt es eine Diskrepanz zwischen der Fotoansicht und dem einblendbaren Straßennetz. Beide sind nicht deckungsgleich, sondern weichen um 470m und einen bestimmten Winkel ab.

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Meine Seeumrundung übernimmt diese Verschiebung nun für den hiesigen Ort, selber Betrag, selber Winkel.

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Meine Seeumrundung, markiert durch die rote Linie, übernimmt diese Verschiebung für den hiesigen Ort.
Vorteil: man sieht was anderes, und dasselbe anders. Und ist am See, so fern man ihm auch ist. Und wenn die Freude am bloßen Abweichen zweifelhaft ist, dann ist es die am So-tun-als-ob vielleicht weniger.
Nachteil: der Weg ist beschwerlicher. Einige Hindernisse machen Entscheidungen nötig. Aber im Dienste der Forschung …

7. Juni 2016

Areal Phönixsee

 

Dominiert werden der Uferstreifen von den Kanadagänsen. (Während eines Versuchs der Kontaktaufnahme zu ihnen spricht mich eine Dame mit Hund an. Sie verfolge die Entwicklung der hiesigen Vögelpopulation intensiv. Bei ihrer letzten Zählung der Kanadagänse sei sie auf 130 Exemplare gekommen.)
Die Kanadagänse sind Neozoen, sogenannte “Neubürger”, Tiere, die sich (aufgrund von Menscheneinfluß) in Gegenden angesiedelt haben, in denen sie zuvor nicht heimisch waren.
Das paßt. Es ist ein bißchen so wie mit den menschlichen Besiedlern des Sees: neu hinzugezogen in dieses zuvor vom Stahlwerk Phönix Ost und seinen Arbeitern geprägte Hörde. Sie legen Häuserringe in dritter, zweiter und insbesondere erster Reihe um den See. Während in nullter Reihe die Gänse regieren.
Alles Formen von Immigration.

 

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Ein lustiges Gesicht, gestanzt und gepresst? Vielleicht. Ich gehe dem noch nach. Aber zuvor: Exempel einer Farbigkeit.

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Nämlich Weiß, Braun, Anthrazit, zusammen mit etwas Rasengrün.

Vermutlich war es diese Farbähnlichkeit von Ausscheidungen uns Häuserfassaden, die zuerst die Beziehung hergestellt hat.