7. September 2016

Areal Stadthafen

Tag 6: Blaue Blume reloaded

Ist doch die Frage, wo die Blaue Blume jetzt eigentlich zu finden ist. Heinrich von Ofterdingen, mein großes Vorbild, ist ja anscheinend durch Zeit und Raum gewandert, um sie zu finden. Novalis fand ihn auch toll und hat über ihn geschrieben.

Ich ziehe mein schönes blaues Kleid an, passend mit Punkten aus den 1950er Jahren, nehme meine passend blaue Ausgabe, mit Sternenhimmel vorne drauf, von vor 15 Jahren und mache mich auf die Suche. Laut Wikipedia kann es eine Kornblume sein, aber auch eine Wegwarte oder noch eine andere Art von Blume, deren Namen ich vergessen habe. Niemand weiß es genau. Mal ganz abgesehen von der Horde an Bedeutungen, die dieses Blümchen hinter sich her zieht. Ganze Generationen haben sich ihretwegen ins Unglück gestürzt. Arme Poeten haben ohne Geld mit Schirm in ihrem Bett gesessen und den Regen abgewartet, der durch ihr Dach zu kommen drohte (das weiß man, wenn man ihn München wohnt und mal im Lenbachhaus war oder von einschlägigen Kunstkalendern).

Also los am Stadthafen Recklinghausen. Das Wetter ist so schön heute.

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Diese Blume scheint in ein paar Tagen gelb zu blühen, also falsch.

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Vielleicht ist irgendwo ein Hinweis im Buch. Ich vertraue dem Zufall. War damals auch modern.

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Nichts. Wieder von vorn. Da ist etwas Blaues.

4 - Kopie

Fehlen die Wurzeln, leider. Und auch ziemlich staubig. Also der unendliche Himmel. Ist auch blau. Ich warte auf ein Zeichen.

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Warte lange…suche dann am Boden…

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…und im Gebüsch.

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Im Gebüsch ist zwar einiges in blau, aber nichts richtig Schönes. Eher mittelgroße Dinge aus Plastik, die man aus Fernsehkrimis kennt und von denen man weiß, dass man sie nicht öffnen sollte. Da. Müsste ein Zeichen ein. Schwer zu lesen.

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Ich suche schon lange. Zwischen den Sträuchern, am Wegesrand, zwischen Dosen, Bechern, Taschentüchern und Plastiktüten. Nichts. Bin schon fast am Aufgeben und will mich schon umdrehen, da höre ich einen Laut. Ich drehe mich um.

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Kenn ich nicht. Muss ein Wesen aus dem Gebüsch sein. Grün, nicht blau. Auch eher menschlich-tierisch als pflanzlich. Aber es will mir helfen, zumindest sieht es so aus. Ich erkläre ihm mein Vorhaben, damit wir gut zusammenarbeiten können.

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Wir machen zusammen weiter. Langsam wird es auch ein bisschen anstrengend, aber als Suchender darf man sich ja nicht beschweren. Runter an den Fluss, nein, Kanal. Der Kanal sieht aus wie ein Fluss um umgekehrt in dieser Gegend.

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Ein schönes blaues Schiff kommt vorbei. Da finde ich wieder etwas. Bin schon um einiges misstrauischer geworden in letzter Zeit.

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Wieder nichts. Scheint eher ein Streichholzersatz zu sein. Noch etwas Schönes in Blau. Aber nicht sehr lebendig.

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Wir müssen unbedingt von hier weg, meint mein Gehilfe in Grün. Der kennt sich aus. Kommt aus der Stadt in Italien, die auf Wasser gebaut ist und Wasser ist ja auch blau. Also wieder hoch zur Autobahn.

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Endlich mal wieder ein Schild. Jetzt weiß ich wieder, wo wir sind. Auf die blauen Schilder am Rand falle ich nicht herein, auch nicht auf die blauen Fahnen.

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Heinz mit seinem blauen Schild winkt uns freundlich zu. Ein Verbündeter. Auch er ist schon lange auf der Suche.

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Wir sind müde und holen uns Inspiration am Fluss. Hat denn diese Suche nie ein Ende?

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Der Tag geht zur Neige. Der Fluss rauscht sein freundliches „Alles kommt zu mir. Ich bin die Größte und Wichtigste hier.“ Sie schluckt und schluckt und rauscht und rauscht und stinkt. Sie kennt das Blau und kann nicht zum Blau, weil braun ihr Schicksal ist. Wie tragisch.

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Wir sinnieren noch eine Weile vor uns hin. Die Sonne gnadenlos im Rücken, bemerken wir nicht, wie es beinahe schon dämmert. Hinter uns donnern die Autos. Leute gehen vorbei.

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Wir wollen zurück zum Schiff und stoßen am Ende des Brückengeländers auf einen Ureinwohner.

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(Idee/Konzept: Ute Heim, Fotos: Anja Plonka)